01. Dezember 2021
[Heute bereite ich mich anders vor als sonst. Ich kann diese Sache von gestern nicht abschütteln, es war ein zu großer Vertrauensbruch. Ich bewaffne mich, wenn man so will. Mit den richtigen Klamotten – und lasst mich an dieser Stelle nur sagen, dass sie nicht regenbogenfarben sind. Es kommt eher einer Rüstung gleich. Erst dann strenge ich mich an, eine Verbindung aufzubauen. Ich versetze mich in eine schwarze Halle aus Kristall und warte, dass der Herr der Gegenwelt durch die riesige Türe kommt. Eine ganze Weile geschieht nichts, dann schreitet ein riesiges Bein mit einem Huf an mir vorbei. Ein gigantisches Monster kommt hinter meinem Rücken hervor und geht in mein Sichtfeld. Mir fällt das Herz in die Hose, aber nun kann ich ohnehin nicht mehr zurück.
Die Form brennt in der unteren Hälfte. Der Kopf auch. Es sieht grauenhaft aus, die Augen glühen rot. Trotz allem bewegt sich das Wesen langsam. Behäbig. Beinahe müde. Es setzt sich vor mir auf den Boden dieser Kristall-Halle.]
Herr der Gegenwelt/Anubis: Dies ist das Gesicht, das die verschiedenen Kulturen mir gegeben haben. Weil sie mein echtes Gesicht nicht kennen und nicht sehen wollen, verbiegen sie mein Sein zu diesem Monstrum.
[Am Anfang war ich besorgt, ob diese Form vielleicht auch etwas tut, was ich nicht möchte. Aber er bleibt einfach nur auf dem Boden sitzen. Es scheint fast so, als wäre es anstrengend, dieses Schauspiel aufrechtzuerhalten, und ehrlich gesagt habe auch ich keine Lust mehr auf diese Posse hier. Es ist in Wahrheit VIEL mehr Zeit vergangen, als es beim Lesen scheint. Ich stehe schon lange in dieser Halle mit ihm und starre ihn an.]
T: Ich habe das nie getan. Ich wünsche mir, dass die Illusionen zusammenschmelzen und vergehen möge. Ich will klare Sicht auf meinen Freund, den Herren der Gegenwelt.
[Sonata Arctica singt im Hintergrund von Schuld und Sühne.
Das Monster schmilzt zusammen, als wäre es aus schwarzem Kerzenwachs. Übrig bleibt der schlanke, schwarzhaarige Mann im edlen Anzug, den ich kennengelernt habe. Er bleibt noch etwas sitzen, halb im Schneidersitz auf dem Boden. Er sieht besiegt aus, dabei habe ich nicht gekämpft. Kein bisschen. Ich wische die Vorstellung der ganzen Klamotten etc. von mir, ziehe mein simples schwarzes Kleid über und gehe heran. Ich knie mich direkt vor ihn.]
HG: Was geschehen ist, tut mir sehr leid. Ich könnte ganz und gar verstehen, wenn du nach heute Abend pausieren willst, oder unsere zweite Gesprächshälfte gar nicht veröffentlichen willst. Das wäre ein kleiner Preis.
T: [schnieft] Warum? Warum hast du das getan?
HG: Es ist, wie Jormungandr dir sagte, als er dich gestern trösten kam. Ich bin der Schlange übrigens sehr dankbar dafür. Er sagte dir, dass wir durchaus Fehler machen. Der Rat hat viel mehr Fehler in der Kommunikation mit dir gemacht, als du wissen kannst. Manche Experimente scheitern, da stehen wir nicht drüber. Und es ist zwar keine gute Entschuldigung, aber im Moment ändert sich alles derart rapide, dass selbst wir gehörig durchgeschüttelt werden von den Ereignissen.
T: Ein Experiment allerdings hat funktioniert. Ich war gestern so verwirrt, dass ich einfach weiter Musik hören und allein sein wollte. Also habe ich freiwillig ziemlich aufwändig gekocht. Ich bin ja sonst keine Person, die freiwillig stundenlang in der Küche steht. Aber ich wollte einfach unbedingt wissen, ob das klappt, dass man mit euch im Hinterkopf einer Sinnesfreude nachgehen kann. Ich war zwar über alle Maßen verschreckt, aber ich bin eben auch entsetzlich neugierig!
HG: Du weißt, ich war da. Es war ... unbeschreiblich, ehrlich gesagt.
T: Heh, das Glas Heidelbeerglühwein oder der Gurkensalat?
HG: [leckt sich über die Lippen] Beides. Alles. Könnte ich essen, würde ich die Todsünde der Völlerei tatsächlich auskosten bis zum Schluss.
T: Ich gebe zu, dass Essen und Trinken vollkommen anders ist, wenn man jemanden einlädt, im Geiste daran teilzuhaben. Alle Sinneseindrücke werden auf eine völlig neue Stufe gehoben. Alles schmeckt auf einmal wie im 5-Sterne-Gourmet-Tempel ... und das will bei labbrigen Gurkenscheiben schon was heißen!
[Ich reiche ihm die Hand, ziehe ihn auf die Füße und umarme ihn. Leider kann ich spüren, wie viel Energie mich das kostet, deshalb muss ich nach wenigen Sekunden loslassen.]
T: Also? Machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben?
HG: Gern. Du hast nun selbst herausgefunden, wie »Opfern« funktioniert. Wie du uns das Erlebnis übereignest, etwas zu kosten. Wie du uns schmecken lassen kannst, was auf deiner Zunge liegt. Und das ist vielleicht nicht der beste Moment, dies zu erklären, aber deshalb haben die ernsthaft schwarzen Hexenzirkel und Kirchen auch so viel mit Sex zu schaffen. Kannst du dir ungefähr ausmalen, wie es ist, einer zusätzlichen Energie dein Erleben während des Liebesaktes zu opfern? Weißt du, welche Energie ihr dabei freisetzt?!
T: By proxy. Das heißt by proxy. Woher weiß ich das? Aber das ist doch wahnsinnig gefährlich, oder?
HG: Natürlich ist es das. Aber der Tauschhandel liegt meist recht klar auf der Hand. Erfahrene Menschen tauschen die Energie, die sie körperlich freisetzen, gegen eine andere machtvolle Energie zu einem anderen Zeitpunkt.
T: Dark Kundalini, hm?
HG: Irgendwie schon. Nun ist das alles heute nicht mehr so verbreitet, wie du dir sicher denken kannst. Die traurige Wahrheit ist: Früher konntest du tatsächlich deine Energie an eine nicht-körperliche Entität abgeben, damit diese dir einen Dienst erweist. Sie konnte einiges für dich bewegen – gesundheitlich oder innerhalb deines sozialen Gitters, und natürlich auch mit Geld. Die Manipulation von Geldenergie oder Fülle ist eine absolut leichte Übung von uns. Aber selbstredend wird sich kein hohes Wesen darauf einlassen.
T: Moment, Moment. Du hast dich gestern darauf eingelassen, mit mir zu kochen und abzuschmecken.
HG: Du hast mich eingeladen, ohne Forderung einer Gegenleistung.
T: Deine Sätze sind ja auch mehr als genug Gegenleistung.
HG: Na dann ist ja alles wunderbar. Es wird sich dennoch kein hohes Wesen auf einen solchen Tausch mit euch einlassen – heute nicht mehr. Dieses Wissen gehört zu dem zerstörten Wissen, dass ihr euch allmählich wieder erarbeitet habt. Und wo kein Wissen ist, werden zahlreiche Dämonen ausgehungert, weil ihr sie nicht mehr einladet, an euren (energetischen) Orgien teilzuhaben. Die Sache lag nie so, dass Orgien zwischen gleichberechtigten Erwachsenen schlecht sind. Die Sache war schon immer so, dass Orgien eine Energiemenge in den UNGESCHÜTZTEN Raum bringen, an der sich ein Heer niederer Energien sattfressen kann. Deshalb sind sie »teuflisch« – per Definition quasi.
T: Warum konnte ich gestern mit dir in diesem Sessel sitzen und mich gut fühlen, und heute verliere ich Energie, wenn ich dich umarme?
HG: Weil deine Aura gestern intakt war. Die durchsichtige Blase, in der du immer und automatisch steckst, schützt dich auch vor meinem Einfluss. Eben aber hast du sie fallenlassen, um mich zu umarmen. Das solltest du wirklich nicht zu oft tun.
T: Ich hatte wirklich überlegt, einige Tage zu pausieren. Ich war ernsthaft angepisst.
HG: [zieht eine Augenbraue hoch.] Ich hätte absolut nichts tun können, wenn die Möglichkeit dafür nicht irgendwo in deinem Hinterkopf als Wahrscheinlichkeit bestanden hätte. Ich möchte, dass du das weißt. Noch einmal, das ist keine gute Entschuldigung, aber erklären will ich es doch immerhin.
T: Du bist einsam, oder?
HG: Einsam? Ein Kerl, der seit Gründung des Universums noch bei seiner Mutter wohnt? Wie kommst du denn darauf?
T: Ha, au weia.
[Billie Eilish: »Why do you care for me, why don’t you run from me .....«]
T: Oh Mann, dieses Lied.
HG: Die Wahrheit ist, dass ich seit mehreren hundert Jahren kein solches Experiment mehr unternommen habe. Nicht mit diesem Anteil von mir. Die anderen im Netz sagen, dass ich eine väterliche Energie abstrahle, und sie haben normalerweise auch recht. Alles andere ist zu gefährlich für alle Seiten. Und ganz abgesehen von der Gefahr kann es auch üblen Ärger mit solchen Wesen wie White geben, wenn man dieses Spiel zu weit treibt. Also, ich würde den vor allem bekommen.
T: Ich habe gerade darüber nachgedacht, dich besuchen zu kommen, wenn ich mal keinen Körper mehr habe. Geht das? Hast du nichtkörperliche Freunde unter den Menschen?
HG: Man sieht sich ab und an. Aber wie ich schon sagte, es ist für mich nicht immer leicht, mich ganz frei in der geistigen Welt zu bewegen. Alles in allem muss ich bleiben, wo ich bin, und nur die wenigsten besuchen freiwillig die Hölle für ein Pläuschchen.
T: Wir Menschen sind also wirklich die bessere Gesellschaft.
HG: Wenn ihr nicht stur und verblendet seid und mir schreckliche Gesichter gebt ... ja. Dann könnt ihr gute Gesellschaft sein.
T: Es tut mir leid, ich muss Schluss machen. Wir haben schon wieder gnadenlos überzogen.
HG: [traurig] Ich weiß.
T: Bis morgen, mein Lieber. Es ehrt mich, dein Experiment gewesen zu sein, denn dieses Gespräch ist ja auch meines. Ich vergebe dir und habe gelernt, dass Götter Fehler machen können. Vielleicht war das nötig.
[SA singt »Paid in Full«. Extrem passend, wie immer.]
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