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Die Elfen - Tag 25

[Tag 24: keine wichtige Nachricht]

30.05.2020


So schön verpennt gestern war, so heftig und wichtig war es heute! Mein Placement brachte mich zum Friedhof. Ehrlich gesagt habe ich mich einen Moment gesträubt, aber es half natürlich nicht.

Bei der grauen Steinmauer des Friedhofs wartete Mirina auf mich – die Schattenlöscherin und einzige Elfin, die grundsätzlich schwarz trägt. Sie sieht schon furchterregend aus. Nicht wegen der Klamotten, ich trage ja selbst gern schwarz, sondern weil man es bei einer Elfin nicht erwartet. Sie war sehr direkt und verkündete sofort:

"Du musst etwas vergessen."

Ich habe mich weiter gedanklich gewehrt, ich gebe es zu. Habe gefragt, was ich vergessen muss und wollte es doch nicht hören. Also sagte sie: "Dies wird nicht das letzte Mal sein, dass du mich siehst."


Nach und nach wurde ich entspannter. Ich kenne ja meine Themen und das ständige Auf und Ab mit meinem Ehemann derzeit. Es gibt eben immer bessere und schlechtere Phasen. Ich habe schon mit so vielen Leuten darüber gesprochen. Gestern sogar mit meinem Papa. Also rückte auch Mirina allmählich mit der Sprache heraus:

"Du und dein Mann, ihr seid beide unter mehr Struktur begraben, als ihr jemals wissen werdet – genau wie jeder andere Mensch. Es wird Zeit, dass ihr all diese Lasten ablegt!"


Ich weiß, dass der Begriff 'Struktur' so eigentlich nicht in unserer Sprache vorkommt, aber er ruft doch ein sehr treffendes gedankliches Bild hervor. Leider gerät man gedanklich immer schnell in eine Abwärtsspirale, schon wenn "nur" mal Sand im Getriebe der Partnerschaft ist. Unter anderem deshalb habe ich gesagt: "Ich fürchte dich, obwohl ich genau weiß, dass ich das nicht tun müsste. Du bist für mich wie der Geist der künftigen Weihnacht aus dem Buch Scrooge."

Sie antwortete: "Du fürchtest mich, weil ich Gedanken, Glaubenssätze und ähnliche Dinge von dir nehmen kann, wenn es nötig ist. Jeder fürchtet das, obwohl ich eine eingeschworene Helferin bin. Und auch wenn die Dinge, die ich entfernt sehen will, dich unter ihrer Last begraben und beschweren, so misst du ihnen doch hohen Wert bei."


[Die Musikauswahl war übrigens wieder grandios in diesem Moment. "Truth is a beautiful thing" von London Grammar, und "Voice inside my head" von Amy Lee waren darunter.] Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, wie wir zum Thema Vergessen zurückkamen, aber der nächste Satz hat mich echt umgehauen:

M: "Du vergisst so viel so schnell, damit du gedanklich weitergehen kannst. Nicht zu vergessen macht Menschen irgendwann verrückt, wie du weißt. Sie stecken dadurch in ihrer Vergangenheit fest."

Ich: "Was muss ich denn vergessen?!"

Mirina: "Der Gedanke lautet: 'Ich kann es nicht alleine schaffen'. Finde deine Balance zwischen Arbeit, Reisen und Zeit zu Hause. Eine Ehe ist noch immer eine Ehe, wenn einer der Partner längere Zeit umherreist. Die meisten 'wichtigen Männer' tun das, ohne auch nur tiefer darüber nachzudenken! Also warum kannst du das nicht? Selbstverständlich kannst du eine Ehe und ausgedehnte Reisen für deine Arbeit unter einen Hut bekommen. Du kannst dies alles alleine schaffen! Wir haben dir neulich sogar einen menschlichen Spiegel geschickt, der dir das Verhaftet-bleiben noch einmal in aller Klarheit aufgezeigt hat. Du hast nur den Kopf geschüttelt, so surreal fandest du das!"

[Ich hatte mich mit einer nicht-ganz-so-frisch getrennten Bekannten getroffen, die sich noch immer sehr an ihre alte Situation klammert und sich extrem schwertut, ihr altes Umfeld zu verlassen. Es ist leider richtig, dass die Lösungen für Probleme anderer Leute für einen selbst immer glasklar und (scheinbar) einfach umzusetzen sind. Seufz!]


M: "Dein Mann hat heute etwas sehr Interessantes gesagt, hast du gut zugehört? Er sagte: 'Ich hasse Veränderung.' Aber du, meine Liebe, bist 100 Prozent Veränderung. 100 Prozent Bewegung. Bewegung bedeutet, den Ort zu wechseln. Wir brauchen dich auf diese Art. Allerdings meinen wir hier tatsächlich geistige Bewegung, das sollten wir noch verdeutlichen." [Sie hat offensichtlich meine

Verwirrung gespürt, denn in meiner Vergangenheit war ich tatsächlich überwiegend an einem Ort, den ich meine Heimat nenne. Grundsätzlich habe ich absolut vor, das beizubehalten.]

M: Dein Vater sagte außerdem, es sei nicht gut, wie ein Ballon davonzuschweben ohne einen Partner als "Gegengewicht". Für die meisten Menschen entspricht das der Wahrheit. Nicht aber für dich. Du bist kein Teil dieser Norm! Echter Wandel kommt von denen, die an die Ränder der Normalität reisen und dort immer wieder Mauern einreißen.

T: Unsere Zeit ist leider vorbei, liebe Mirina. Ich danke dir von Herzen. Ich werde lange und gründlich über deine Worte nachdenken.

M: "Das möchte ich doch hoffen!"

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