03.12.2020
[Ich habe mir heute »Kaleo« als Musik ausgesucht. Wunderbar, wenn Isländer Folk-Rock machen.]
M: Ist dir mal aufgefallen, dass man hören kann, wie viel Sonne in einem Lied steckt?
T: ...?
M: Ganz abgesehen vom Vokabular, das in afrikanischer Musik einfach grundlegend anders ist als in isländischen Volksliedern, kann man in einem gut (und vor allem draußen) aufgenommenen Lied hören, ob es im Eis gemacht wurde oder unter brennender Sonne. Vor allem natürlich, wo die Verfasser lebten und was sie gerade erlebten. Der ätherische Hall von verschneiten Bergen ist anders als ein Lied, das durch die heiße Savanne schweift.
T: Gerade über so etwas habe ich mich heute mit einer Freundin unterhalten. Es ging um den »Rappel des oiseaux« (»Ruf der Vögel«), ein wunderschönes Pianostück. Das Klavier macht darin eindeutig die Vögel nach, weswegen die meisten Piano-Talente das Lied sehr vergnügt und schnell spielen – trällernd eben. Aber ein Pianist aus den 50er Jahren hat es geschafft, aus dem gleichen Material etwas zu machen, was streckenweise sehr melancholisch klingt. Da ich nie Musik studiert habe, kann ich den Unterschied nicht analysieren, aber er spielt es einfach anders. Ein Faszinosum, weil ich es spüre und höre, aber nicht beschreiben kann.
M: Es gibt so viele Interpretationen eines Liedes, wie es Menschen auf der Erde gibt. Theoretisch. Aber nicht jeder befasst sich damit.
T: Das erinnert mich an einen anderen Spruch ...
M: Genau! Es gibt nämlich auch ebenso viele Arten, zu meditieren, wie es Menschen auf der Welt gibt. Und obwohl euch das mit der Musik noch eingeht, wollt ihr das bei der Meditation so gar nicht verstehen! Ihr habt euch so daran gewöhnt, dass es für das, was ihr lernt, ein »richtig« und viel »falsch« gibt, dass ihr nichts mehr für euch selbst entdecken geht. Und spielen ist ja ohnehin verpönt. Experimentieren auch. Wenn ein Kind heute einen teuren Buntstift in zwei Hälften bricht, um mit beiden Händen parallel zu zeichnen, bekommt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr Ärger als Lob – besonders(!) von den Institutionen, die erkennen sollten, wann Kreativität und Innovation am Werk sind.
T: Hm, Meditation. Mal wieder mein neues Dauerthema. Und über Zufälle in meinem Leben sollte ich mich ja eigentlich überhaupt nicht mehr wundern.
M: Erzähl mir trotzdem davon, die Leser werden lachen.
T: Wahrscheinlich. Mein Mann hat mir einen Link aufs Handy geschickt. Er sagte, er habe einen tollen Podcast entdeckt, wo eine Erfinderin ihr neues Konzept der digitalen Kinderbetreuung vorstellt. Ich habe den Link also angewählt und mir den Podcast angehört. Es ging zwar nach 10 Minuten immer noch nicht um Kinder, aber was da erzählt wurde, war schon dolle. Und zwar haben zwei Deutsche während der pandemiebedingten Kurzarbeit etwas Neues ausgearbeitet und eine Coaching-Plattform gegründet. Dort kann man kostenlos sein Wissen teilen und es vor allem kostenlos empfangen. Langsam dämmerte mir, dass es gar nicht um das Thema Kinder ging, und ich wollte gerade wegschalten, als ein wahrhaft magischer Satz fiel! »Holistisches Heilen«, sagte der Moderator völlig aus dem Blauen heraus. »So heißt eines der Angebote.« Und die Gründer sagen ohne Mist: »Ja, das ist der einzige Coach in Richtung Mindfulness und Awareness ... und der ist für immer und ewig ausgebucht.« Ab dem Moment stand ich unter Strom. Nicht, weil ich sein Angebot wahrnehmen möchte, sondern weil mir schon wieder bewiesen wurde, wie viele Menschen mit zunehmender Verzweiflung jedes Quäntchen altes Wissen suchen! Von 50 Themen von Design bis Finanzen sagen die vier Podcast-Beteiligten DIESE zwei Sätze, die mich grübelnd zurücklassen.
M: [grinst] Na, so ein Zufall ...
T: Nicht.
M: Hehe.
T: Du bist gut. Du bist verdammt gut. Erst viel später sickerten dann die Implikationen in meinem Gehirn durch. Was geschehen könnte, wenn ich auch mal mein Wissen kostenlos weitergebe ... zum Thema Meditation natürlich.
M: Könntest du.
T: Wie das wäre, wenn dadurch Leute auf dieses Material von uns aufmerksam würden.
M: Würden sie.
T: Wie krass gut es wäre, wenn ich eine Webseite hätte.
M: Pfff. Hätte, hätte, Fahrradkette.
T: Wie meinen?
M: Die brauchst du nicht! Nicht dafür und nicht sofort. Aber hör nicht auf, sie zu programmieren, ja?
T: Das sind ein ganz schöner Haufen Aufträge, ist dir das klar? Das Tagebuch frisst jetzt schon all meine Freizeit, und ich habe theoretisch noch Romane zu schreiben.
M: Wer sagt etwas von Aufträgen? Spielangebote. Außerdem liebst du es, über Meditation zu sprechen. Oder über Kreativität. Oder übers Schreiben. Und darüber, wie das alles für dich zusammenhängt. Big Magic.
T: Hätte ich doch nur mehr Zeit für alle Dinge, die mit unserem Projekt zusammenhängen.
M: Gemach, gemach. Alle guten Dinge kommen zu denen, die über Pilze stolpern.
T: Äh... was? Heißt es nicht normalerweise »alle guten Dinge kommen zu denen, die abwarten können? [»All good things to those who wait.«]
M: Ich weiß! Aber wo bleibt da der Spaß? Weißt du, was schon alles gefunden wurde, weil Leute über Pilze gestolpert sind??
T: [kichert] Keine Ahnung, Töpfe voll Gold oder so?
M: Besser. Ideen! Machen wir Schluss, dann kannst du noch an der Seite arbeiten. Sie braucht wirklich weniger, als du denkst!
T: Okay, okay. Gute Nacht.
M: [lächelt wie Harley Quinn und Joker zusammen] Bis morgen.
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