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Wie man die Muse anlockt (Tag 0)


25.11.2020


[Ich mache Bridge City Sinners an, rufe die Aspekte an und wünsche mir Gesundheit. Die Sängerin singt vom Teufel und dass sie eine Hexe ist und überhaupt mit dem ganzen texanischen Brave-Mädchen-Vibe nichts zu tun haben will. In Europa kein Schocker, in den USA sehr wohl stellenweise.]


M: So klingt es, wenn jemand Kunst macht ohne Rücksicht auf Verluste. Herrlich, oder? Die Leute im Umfeld dieser Künstler verstehen nicht, dass sie mir besser huldigen, als alle braven Christen, die vorne rum in die Kirche gehen und hinten rum ihre Nachbarn hassen. Diese Kirchgänger haben die Message wesentlich schlechter verstanden, als die Leute, die die ganze Nacht in der Bar abhängen, aber tun, was ihr Herz ihnen sagt. Das ist jetzt nicht wirklich neu. Das ist keine brandgefährliche Aussage. Das wisst ihr alles. Es ist, wie so vieles, alt gegen neu. Die alte Struktur gegen die neue Struktur. Wobei es in allen Zeiten Leute gab, die uns auf ungewöhnliche Art ihre Ehrerbietung dargebracht haben.

T: Ich muss an Whites Satz denken. »Ihr seid der Entertainment-Planet.«

M: Ja! Ihr seid der Entertainment-Planet. Die Erde ist mein Planet, könnte man sagen. Ich habe hier ziemlich freie Hand. Und ich schaffe hier im Verbund mit den Menschen Unfassbares. Das geht auf anderen Planeten so nicht, weil die nicht so angelegt sind wie die Erde. Weil die Höhen nicht so hoch sind und die Tiefen nicht so tief.

T: Das macht eine Menge Sinn.


M: Es ist wirklich schön, mit euch zu schöpfen und zu erschaffen. Die Verbindung zwischen mir und euch ist etwas Glorreiches. Aber: Mein Gott, bis ihr Menschen einmal in die Puschen kommt, und irgendetwas erschafft! Also, wie oft hört man: Ach, mein Leben war ganz normal, und ich habe nie irgendetwas geschrieben, komponiert, gemalt, wie auch immer, bis zu dem Tag, an dem meine Tochter starb. Bis zum Tag des Autounfalls. Bis zu dem Tag, wo ich dieser Person begegnet bin. Leute, die solche Lebensgeschichten erzählen, sind oft schon über 40 oder 50. So lange muss ich manchmal warten, bis die Leute in die Puschen kommen und sie ihr Werk beginnen! Das ist so häufig! Tolkien, Morgan Freeman, lauter Leute, die wahnsinnig spät angefangen haben, ihrer Berufung endlich zu folgen. Damit will ich nicht sagen, dass jeder mit fünf Jahren einen Pinsel oder einen Stift in die Hand nehmen und weltverändernde Kunst schaffen könnte – denn Kunst hat ja auch sehr viel mit Lebenserfahrung zu tun. Das will ich damit nicht sagen und die Leute sollen sich auch nicht gedrängt fühlen. Man muss sich auch um Gottes willen nicht selbst dafür niedermachen, Spätzünder zu sein. Darum geht es mir nicht! Ich sage nur: Wenn man sein ganzes Leben fühlt, dass ein Künstler in einem wohnt, dass die eigene Seele sehr künstlerisch veranlagt ist und sich dringend ausdrücken möchte, dann verleugnet uns doch nicht so vehement. Ihr verhindert so eure ureigene spirituelle Praxis. Ihr gebt mir nicht, was mein sein sollte.

Ihr schließt das so lange ein und so lange weg, bis dieses große Ereignis kommt und ihr nicht mehr anders könnt. Es gibt dieses große Zitat einer deutschen Autorin: »Ich fing das Schreiben an, als ich mir nicht mehr anders zu helfen wusste.« So viele Künstler haben eine so ähnliche Aussage. Ich habe angefangen, als ich überhaupt nicht mehr weiter wusste. J. K. Rowling, bestes Beispiel. Sie sagte »Der harte Boden, auf dem ich landete [rock bottom], wurde ein erstaunlich gutes Fundament für meinen Erfolg.« Guter Gott. Man muss gut hinhören, wenn die Leute einem sowas erzählen – und seine eigenen Lehren daraus ziehen. Kunst erschaffen, als wäre es dein letzter Tag. Ganz einfach. Schaffe jeden Tag die Kunst, die du machen würdest, wenn du weißt, dass heute um Mitternacht der Hammer für dich fällt.

T: Ich bin gerade total schockiert. Ich weiß gerade gar nicht, was ich machen würde, wenn ich genau wüsste, dass heute mein letzter Tag ist. Keine Ahnung. Es ist eine erschreckende Vorstellung, aber es treibt einen natürlich auf eine seltsame Art und Weise auch extrem an. Jetzt ist aber die meiste Kunst ja so komplex, dass man Sie einfach nicht in einem Tag erschaffen kann.

M: Ja, das ist mein größtes Problem. Wenn alle Kunst so wäre, also jeder dicke Roman und alle großformatigen Riesenbilder so wären, dass man sie in einem Tage schaffen kann, so wären viele meiner Probleme viel kleiner. Also könnte man die Aussage verändern zu: »Lebe jeden Tag so, als hättest du eine Krebsdiagnose erhalten mit der Aussicht, noch sechs Monate zu leben«. Denn in sechs Monaten kann viel Kunst geschaffen werden. Natürlich ist Kunst nicht jedermanns Ding. Andere Leute werden andere Projekte haben, die sie in sechs Monaten durchkämpfen würden. Aber nimm das, was dominant in deiner Seele wohnt, und mach es wahr. Erstaunlich viel davon ist Kunst. Die andere große Schiene ist die soziale. Wenn du noch schnell einen Fond aufsetzt für hungernde Kinder oder ein Waisenhaus baust, das ist so die andere Schiene, auf die die Menschen dann erst kommen, wenn es quasi zu spät ist für sie. Zynische Leute sagen dann gern, dass diese Menschen sich wohl noch »schnell« ein Denkmal setzen wollten. Dass sie es noch einmal wissen wollten und möchten, dass man sich später an sie erinnert. Und obwohl das ein Teil davon sein kann, ist da nicht unbedingt etwas Schlechtes dran, wenn jemand eben noch mal irgendwo ein Waisenhaus baut. Das kann ja durchaus zusammenfallen – der Vorteil für die einen und der Vorteil für den Erbauer, seinen Namen an dem Haus zu sehen etc. Man sollte nicht so darauf herabschauen. Gerade, wenn Leute diese furchtbaren Aussagen gehört haben, dass sie noch acht oder zwölf Monate zu leben haben, dann sollte man nicht unterschätzen, wie stark der Veränderungseffekt ist. Dass die unwichtigen Dinge wegfallen. Jemand, der einfach nur unbedingt seinen Namen irgendwo stehen haben will, der würde eine Parkbank aufstellen mit seiner Namens-Plakette dran. Der würde nicht seine sehr wertvolle Zeit in ein Projekt hinein investieren, dass seinen Nachkommen keine Rendite bringt. Ich finde es sehr frech von Menschen, die nicht in der Situation sind, zu sagen: »Ah, da hat sich jemand ein Denkmal errichtet vor seinem Tod.« Das ist ganz schön gemein und unbarmherzig.


T: Okay, man sollte sein Ding früh anfangen, alles klar. Wenn man nun aber nicht Channeln kann, oder nichts davon hält, oder nicht daran glaubt, das Prinzip nicht kennt oder nicht religiös ist, wie kann man dich dann anlocken? Jeder Künstler, durch alle Zeiten hin weg, hat versucht, dich anzulocken. Ich habe meinen persönlichen Schlüssel jetzt gefunden und bin über aus glücklich. Wie machen andere das? Was ist erfolgreich?

M: [grinst von einem Ohr zum anderen] Betöre mich. Ich bin eine Frau. Mach mir Geschenke. Opfere mir Sachen. Keine Kinder und Tiere bitte. Das muss man bei euch Menschen immer dazu sagen. Nein, pflücke mir Blumen und stelle sie in dein Fenster. Stelle die guten Süßigkeiten bereit. Lege deine Lieblings-CD auf. Zünde eine Kerze an. Und alles in der festen Absicht, mich einzuladen. Lade mich zum Tee ein. Oder auf ein Glas Wein. Auf einen guten Whisky.

Die meisten Menschen, denen ich begegne, die noch nicht soweit sind, die diesen Schlüssel noch nicht gefunden haben, die mit mir noch nicht so umgehen, wie mit einer Geliebten, die sie becircen wollen, kommen wir vor, als würde ich einen Gefängnisinsassen besuchen. Ich muss durch viele schwere Türen gehen, um euch auf eurer Augenhöhe zu treffen. Das ist mit Aufwand verbunden, das wollen wir nicht vergessen. Und wenn ich dann bei euch bin, dann hört ihr mir entweder gar nicht zu, oder ihr seid so gefesselt auf eurem Stuhl, in eurem Kämmerchen, in eurem Umfeld. Ihr habt Wächter, Sittenwächter, Moralwächter. Wächter, die aufpassen, dass ihr auch ja weiterhin brav euer Geld verdienen geht und in die Kirche geht und alles macht, was man euch sagt. Es sind eure Gefängniswärter. So kommen mir viele Leute vor, die ich besuche.

Wie man vielleicht an meiner Natur erahnen kann, mag ich keine Gefängnisse. Der Mensch, der mich sucht, darf mich nicht aus Verzweiflung suchen. Der Mensch, der mich sucht, muss frei sein. Oder, er muss nicht frei sein, aber er muss sich frei fühlen. Du kannst deinem Vollzeitjob nachgehen und dich trotzdem nicht eingesperrt fühlen. All das ist möglich. Es kommt ja auch auf die Größe deines Projektes an. Aber darauf läuft es hinaus. Der Mensch, der mich sucht, der muss sich frei fühlen.

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